Festival der Liebe
Es ist gegen 18.00 Uhr. Die Refrigerators fahren mit ihrem gemieteten
Mercedes - Bus auf irgendeinem Festival - Gelände, irgendwo
im Allgäu ein. Es gießt in Strömen, es ist arschkalt
und keiner hat Bock auszusteigen. Ein beißender Gestank und
das dringende Bedürfnis einiger sich endlich auf einem der
schmucken Toi - Toi - Toilettenhäuschen zu entleeren (die nahe
gelegene Hecke wäre allen lieber, aber es regnet) sorgt dann
im Endeffekt doch für das allgemeine Verlassen des Vehikels.
Endlich in die Wärme, denken sich derweil die anderen und
eilen zum Backstagebereich hinter der Bühne, der sich leider
als offen angelegter Holzunterstand entpuppt, dessen Boden mit Stroh
ausgelegt ist, um ihn vor Vermatschung zu schützen (Bei Pferden
nennt sich das "Offenstallhaltung"). Von ersehnter Wärme
keine Spur. Dafür winkt der erste Lichtblick in Form eines
Kühlschrankes, randvoll mit leckeren Getränken.
Der Veranstalter tritt an die Band heran und beklagt sich über
das miese Wetter. "Letztes Jahr wahren hier 2500 Leute, die
bei 30 Grad und Sonnenschein alle tierisch Spaß hatten."
Tröstet das, wenn sich momentan im Matschloch vor der Bühne
grad mal 5 tapfere, oder besser völlig durchgeknallte Allgäuer
bei strömendem Regen und 3 Grad minus den Arsch wegtanzen?
Nicht wirklich!
Die Vorband Silver Surfer oder Sofa Surfers, Silver Sofa - man
kann sich nicht alles merken. Auf jeden Fall hatten die da grad
den Riesendeal mit einer Plattenfirma am Start und waren kurz vor
dem ganz großen Durchbruch! Irgendwo her kennt man diesen
Spruch. Ach ja! Vom letzten Festival irgendwo auf der Ostalb. Wie
hießen die damals noch? Keine Ahnung!
Nachdem der Kühlschrank langsam immer leerer und die Kühlschränke
immer voller wurden nahte das Festival - Standart - Mal. Hierzu
muss man wissen, dass auf Festivals immer Nudelpfanne gibt, aber
das ist eine andere Geschichte.
Mehr schlecht als satt zogen sich die Bandmitglieder nach und nach
in den Backstageholzunterstand zurück um sich dort widerwillig
erst auszuziehen, um dann direkt darauffolgend die coolen schwarzen
Anzüge anzuziehen. Wie cool ist das wirklich? Es hat wie schon
erwähnt 3 Grad minus und es schüttet und die Anzüge
hängen seit 4 Stunden - es ist mittlerweile 22.00 Uhr - im
Backstageholzunterstand. Daraus folgt, dass zum üblichen Schweiß
und Auftritts Dreck der letzten 13 Jahre (andere Geschichte) 3 Grad
kalte Feuchtigkeit kommt. Es gibt nichts Besseres!
Alle wieder nüchtern, dann kann es ja losgehen! Die Masse
tobt wie immer, wobei in diesem Zusammenhang wieder einmal klar
wird, wie flexibel der Begriff Masse doch ist. Immerhin sind aus
5 bekloppten Allgäuern in der Zwischenzeit 50 geworden, die
sich da bis zum Hals völlig einsauen.
Das Konzert scheint schon fast ohne weitere Zwischenfälle
abzulaufen, die Kühlschränke rocken was das Zeug hält
und stellen sich 2500 Leute auf der Wiese vor ihnen vor, als plötzlich
ein scheinbar schwer erregter Fan aus der ersten Reihe nicht mehr
widerstehen kann und Patrick voller Inbrunst ins Gemächt greift.
Patrick, sichtlich irritiert, entdeckt daraufhin den Bruce Lee in
sich und schickt den armen Fan, der wahrscheinlich nur auf eine
lange, auf Liebe basierende Beziehung aus war mit einem kräftigen
Fußtritt ans Kinn für kurze Zeit ins Nirvana.
Spontan, wie die Refrigerators nun mal sind, wurde darauf hin der
als passend erscheinende Hit "Sorry" angespielt und schon
war der kleine Zwist vergessen und vergeben. Von diesem
Ereignis verschärft zum denken angeregt, erkannte Patrick
einmal mehr seine eindeutige Neigung zum weiblichen Geschlecht und
verliebte sich noch während des selben Konzertes in ein süßes
kleines Weibchen, das in einem gelben Regenmantel völlig unschuldig
vor der Bühne hin und her sprang.
Nach dem Konzert war völlig klar, dass es sie zu finden galt.
Und so zog Patrick in Begleitung mit Bastian los, um seines eigenen
Glückes Schmied zu werden. Bastian sah sich in dieser Situation
eher als Klotz am Bein, was sich aber als durchaus praktisch herausstellte,
denn als solcher konnte er Zeuge eines einzigartigen Schauspiels
werden!
Schon nach kurze Zeit ward ein elfenhaftes Wesen in gelbem Regenmäntelein
im anliegenden Bierzelt entdeckt und Patrick steuerte zielsicher
darauf zu. Als sie sich auf die entspannte Begrüßung
von Patrick hin umdrehte war allen Anwesenden, ausgenommen Patrick,
bewusst, dass sie nicht die war, die er meinte. Was soll man machen?
Ihn aufhalten? Niemals! Und so nahm das Schicksal seinen Lauf:
Patrick: "Hey (stößt mit der Bierflasche bei ihr
an) ziemlich cool hier!"
Das Eis war gebrochen.
Elfenhaftes Wesen: "Mmmh" (In positiv zustimmendem Ton)
Bastian (aus dem Hintergrund leise zu Patrick): "Das is nich
die von vorher! Die sah anders aus."
Patrick (Bastian nicht beachtend): "Hey du bist doch die von
vorhin."
Elfenhaftes Wesen: "Mmmh" (In seltsam ratlos fragendem
Ton)
Patrick: "Und wie fandest du uns?"
Elfenhaftes Wesen: "Ach, habt ihr da grad gespielt?"
Patrick: "Ja schon, du hast doch vor der Bühne voll abgetanzt."
Elfenhaftes Wesen: "Ne, ich bin grad erst gekommen und will
eigentlich auch schon wieder gehen, find´s ziemlich doof hier."
Patrick: "Ah, cool! dann mach´s mal gut!"
Der Kühlschrank wurde an diesem durch und durch gelungenen
Abend noch vollständig leer. Und (um den Wortwitz noch einmal
aufzugreifen) die Kühlschränke waren dafür allesamt
- außer Enno, der kein Alkohol trinkt, was wieder eine andere
Geschichte ist - voll.
Matthias sah sich trotzdem noch in der Lage die paar hundert Meter
bis zum Hotel zu fahren. Dem Rest war alles recht! Die Fahrt dauerte
gerade mal bis zum nächsten Dorf, als auch schon eine Sirene
ertönte. Matthias riss in einem Anflug von völliger Klarheit
das Steuer herum, um den Bus geschmeidig wie eine Raubkatze in eine
Seitenstraße zu lenken.
Von da an übernahm Enno das Steuer. Keiner der Kühlschränke
- außer Enno - freute sich jemals mehr über einen Vollrausch,
als in dieser Situation. Dazu muss man wissen, dass Enno sein Führerschein
zu Zeiten der K&K Monarchie in Österreich gemacht hat und
seither nur selten ans Steuer durfte. Niemand würde sich anmaßen
zu behaupten, dass er nach so langer Zeit noch immer der Michael
Schumacher unter den Autofahrern wäre. Wenn das allerdings
mit Missmut, Übermüdung und Espressoentzug (andere Geschichte)
gepaart wird, ist das für alle Beteiligten kein Spaß.
So kamen die Refrigerators im Hotel an, als schon die Vöglein
den neuen Tag begrüßten. Und so endete ein weiterer ereignisreicher
Tag der Refrigerators auf ihrem Weg zum Weltruhm. Um ihn mit den
Worten Rainers zusammenzufassen:
Ich steig aus! (andere Geschichte)
Hoch
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